Christlicher glaube und homosexualität frankfurt
Martin Grabe: Homosexualität und christlicher Glaube: ein Beziehungsdrama, Marburg: Francke, , geb. Wie das erste Kapitel verdeutlicht, ist die Ablehnung praktizierter Homosexualität geschichtlich betrachtet kein exklusiver Topos christlicher Verkündigung gewesen, sondern spiegelte eine kulturübergreifend gesellschaftliche Ächtung.
Grabe verzichtet hier wie auch sonst auf jegliche fachwissenschaftliche Belege, die eine solche spezielle historische These aus dem Mund eines Arztes zu stützen in der Lage wären. Damit ist ein Grundton angestimmt, der sich bis ans Ende durch das Buch zieht: Historische, biblische und theologische Überlegungen, die auf ihrer je eigenen Sachebene diskutiert werden müssten, werden durch tiefen- psychologische Einordnungen gegen Einwände immunisiert.
So jedenfalls wird man die wiederholten Aussagen Grabes verstehen müssen, dass Kritiker von Grabes Sicht die Bibel noch nicht ernsthaft gelesen hätten und noch intensiver beten sollten 36, Das will sagen: Sie verstecken hinter unreflektiert vorgetragenen Bibelzitaten die Verdrängung ihrer eigenen homoerotischen Persönlichkeitsanteile.
Im Bereich eigener Expertise bewegt sich Grabe mit seinen Ausführungen zur Homosexualität aus therapeutischer Sicht. Der hinsichtlich der Verursachung homoerotischer Anziehung komplexe Befund — der auf eine komplizierte Wechselwirkung biologischer und sozialer Faktoren hinweist — wird erwähnt 25f , die Einschätzung, dass Homosexualität in den meisten Fällen unveränderbar sei, als Konsens der Fachwelt bezeichnet.
Schade, dass der Vf. Darin liegt eine Engführung des Buches insgesamt. Von genuin theologischem Anspruch sind die Kapitel 4 und 5. Kurz gesagt: Die Texte des Heiligkeitsgesetzes verurteilten Homosexualität, weil homosexuelle Akte praktisch den Bruch einer bestehenden Ehe bedeuteten.
Und die einschlägigen Texte im Neuen Testament verurteilten lediglich Promiskuität und Prostitution, weshalb sie zu heutigen gleichgeschlechtlichen Paarbeziehungen nichts sagten.
Christlicher glaube und homosexualität: diskussionen und perspektiven in frankfurt
In diesem Teil des Buches ist die Ignoranz der theologischen Fachdiskussion besonders fatal. Um nur so viel zu sagen: Wenn homosexuelle Akte um des Schutzes der Ehe willen verurteilt werden, wäre Sex mit Tieren in Ordnung, solange der menschliche Partner unverheiratet ist?
Nein, es geht in den Bestimmungen insgesamt darum, die Ordnungen in Lebensverhältnissen vor Übertretungen zu schützen: im Verhältnis der Gattungen, der Geschlechter und der Familienangehörigen. Paulus geht es, um sein Argument zu erläutern, um eine nach seinem Ermessen verkehrte Beziehungsform, überhaupt nicht um individuelle Fallkonstellationen.
Wenn Grabe im fünften Kapitel ausführt, dass Gott alle Menschen, so wie sie sind, geschaffen und folglich auch so gewollt habe, erliegt er philosophisch gesehen dem Fehlschluss vom Sein auf das Sollen, wohl auch deshalb, weil er der Wirklichkeit der Sünde keine hinreichende Beachtung schenkt.
Was wir am empirischen Dasein eines Menschen ablesen können, ist kein verlässlicher Kompass im Blick auf das, was Gott will. Vielmehr ist vom Offenbarungszeugnis aus zwischen dem Dasein jedes Menschen und seinem konkreten Sosein zu unterscheiden. Ersterem gilt Gottes unbedingtes Ja, letzteres trägt auch die Spuren des Falls an sich, was übrigens unabhängig von der sexuellen Orientierung gilt.
Sein Plädoyer, gleichgeschlechtliche Paare als Eheleute zu segnen, wird von Grabe damit begründet, dass nur wenige Menschen, die ein besonderes Charisma empfangen haben, ohne Sex leben könnten. Alle anderen nähmen bei einem dauerhaften Verzicht Schaden an Leib und Seele Das sind düstere Aussichten für Singles und Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ihrer Sexualität keinen Ausdruck geben können.
Doch die Behauptung, Sex zu haben sei ebenso überlebenswichtig wie essen und atmen, ist schlicht falsch, wie u. Nicht nur in anderen Kulturen ist millionenfach das Gegenteil bewiesen worden. Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, Frankfurt: Campus, , 2 , Fazit: Grabes Buch stellt eine wichtige Frage: Warum tun sich viele Evangelikale so schwer mit der Akzeptanz homosexueller Menschen?
Dass er das subjektive Leid der Betroffenen ernst nimmt, ist uneingeschränkt zu würdigen. Und der Anspruch, Fragen der Gleichstellung biblisch-theologisch klären zu wollen, weist in die richtige Richtung. Leider wird dieser Anspruch nicht eingelöst.