Schwul blank stuttgart
Judas war derjenige, der Jesus für 30 Silberlinge ans Kreuz lieferte. Kann man ihn und seine Geschichte auch aus einer anderen Perspektive, seiner eigenen, betrachten? Darf man das? Wir haben Silvergieter zum Interview getroffen und mit ihm über das Stück, seine Rolle als Verräter sowie seine Erfahrungen als Regenbogenpapa-Influencer und Schauspieler gesprochen.
Na klar, natürlich. Es spiegelt aber das Stück selbst und auch mich auf der Bühne wider. Es geht um Provokation, ich lasse ja auch ein stückweit die Hüllen fallen, und mit der Stadt im Hintergrund geht es auch um die Beziehung des Stücks zur Neuzeit. Das Plakat zeigt eigentlich genau das, was wir spielen.
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Oh, es ist schwierig, das kurz zu fassen … Wenn wir es nur aus der Perspektive der Autorin Lot Vekemans betrachten, dann geht es um Judas, den Verräter, der zurückkommt und seinen Verrat neu verhandeln will. Wir haben zusätzlich noch eine Ich-Ebene mit reingebracht, also ich persönlich als Kevin werde miteinbezogen.
Das hat sich während der Proben ergeben. Ich hatte gemeinsam mit meinem Mann als Influencer gearbeitet. Andrea, unsere Regisseurin, meinte, damit sei ich ja wie ein kleiner Judas. Also Kevin, der Instagram verraten hat. Und so wob sich das alles Stück für Stück zusammen.
Am Ende haben wir dann auch Fragen gestellt: Wo sind Parallelen zwischen Glauben und Instagram? Wir haben viele, zusätzliche Fragen in den Raum geworfen, die im Stück so eigentlich nicht thematisiert werden, die aber trotzdem einfach mitschwingen. Das Spannende ist, dass das Stück religionsübergreifend ist, gesellschaftsübergreifend und auch generationsübergreifend.
Ältere Menschen lesen das eher auf der gesellschaftlichen oder religiösen Ebene, junge Menschen beziehen das total auf die Social-Media-Ebene — alle haben Ansätze, um sich selbst zu hinterfragen. Überhaupt nicht. Bin ich ja auch nicht. Ich bin zwar durchaus religiös erzogen worden, aber nie streng, mein Vater hat mir das so mitgegeben.
Ich bin mit 20 aus der Kirche ausgetreten, weil mir die Kirche damals, vor 15 Jahren, als homosexueller Mann nicht viel gegeben hat. Als ich an das Stück rangegangen bin, hatte das für mich nichts mit einem Glauben zu tun, den ich irgendwie aufarbeiten will.
Im Gegenteil: Ich fand das Stück spannend, weil dieser Antagonist ins Zentrum gesetzt wird, um dann zu schauen, wer ist das eigentlich als Mensch. Die Parallele zu mir hatte ich da überhaupt noch nicht im Blick, das entwickelte sich ja erst in den Proben. Man kann völlig unbedarft in das Stück reingehen, man muss auch nicht social-media-affin sein, weil man einfach diesen Zeitgeist im Stück mitbekommt und diesen Vergleich zwischen damals und heute.
Durch die Fragen, die das Stück aufwirft, kommt ganz viel Verständnis für bestimmte Prozesse auf: Warum passieren bestimmte Dinge, warum hat Social Media so ein Stellenwert und warum haben wir uns so entwickelt, wie wir uns entwickelt haben? Ja, im Januar war die Premiere.
Wir dachten damals, dass wir nach Corona richtig cool einsteigen könnten, aber dann war da noch die letzte Welle mit Maskenpflicht und der Theatersaal durfte nur zur Hälfte bestuhlt werden. Also ja, wir sind da voll reingerutscht. Wir spielen jetzt nochmal im Februar und im April , dann schauen wir mal.
Wir sind da offen für Weiteres.